Noch immer ist Menstruation für Frauen in Kenia eine Gefahr. Denn das mangelnde Wissen über die Vorgänge im eigenen Körper sowie die Verwendung unhygienischer Materialien, um die Monatsblutung aufzufangen, kann sie krank machen oder sogar in die Prostitution treiben. Ruth Asan kämpft dagegen. Die gebürtige Würzburgerin engagiert sich für verschiedene soziale Projekte in Kenia. Das Land steht aktuell im Fokus von Ruby Cup, einem Social Startup, das Menstruationstassen herstellt. Beim Kauf eines Cups in einem Industrieland wird eine Menstruationstasse in ein Entwicklungsland gespendet. Besonders in Kenia ist Menstruation noch immer ein Tabuthema. Mädchen benutzen Lehm, Lumpen und Ziegenhaut zum Auffangen der Regelblutung. Ruth Asan besucht Schulen, in denen Ruby Cups verteilt werden und klärt die Mädchen über das Thema Menstruation auf. Wir haben mit ihr gesprochen.
Du arbeitest jetzt seit drei Jahren für Frauen und Mädchen in Kenia. Wie würdest Du die Rolle der Frau in Kenia beschreiben?
Es gibt hier über 40 verschiedene Stämme, und die haben teilweise komplett unterschiedliche Vorstellungen von Partnerschaft und von der Rolle der Frau. Das kann man schwer verallgemeinern. In den Städten geht es wie überall liberaler zu, aber 75 Prozent der Bevölkerung leben in Kenia eben auf dem Land. Und dort wird das Frauenbild leider häufig noch von Aberglauben und althergebrachten Werten bestimmt. Wenn eine Frau zum Beispiel ein Baby zur Welt gebracht hat, gilt sie für eine gewisse Zeit als unrein. Sie lebt dann eine ganze Weile recht isoliert mit ihrem Säugling und wird nur von anderen Frauen besucht, die ihr Essen bringen. Gleiches gilt für Frauen und Mädchen, die ihre Periode haben. Sie gelten als schmutzig und werden gemieden oder auch in der Schule dafür gehänselt. Deshalb ist es wichtig, dass es Organisationen und Social Enterprises wie Ruby Cup gibt, die dieses Thema ins Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen und Aufklärungsarbeit leisten.
Du warst einige Male dabei, wenn die Tassen in Schulen verteilt wurden. Wie sind die Reaktionen?
Eigentlich durchweg positiv. Die Mädchen freuen sich, mit jemandem über ihre Regel sprechen zu können. Oft ist die Aufklärung über die Pubertät durch Schule und Elternhaus sehr rudimentär. Wenn Mädchen anfangen zu bluten, denken viele, sie hätten eine schlimme Krankheit und trauen sich nicht, sich jemand an zu vertrauen. Wenn wir beginnen, über das Thema Menstruation zu sprechen, ist richtig spürbar, wie sich in den Gruppen ein Knoten löst. Dann kommen nach und nach viele Fragen, und es gibt wirklich viele Missverständnisse und Halbwahrheiten zum Thema Regelblutungen. Mehrere Mädchen haben gehört, Menstruationstassen würden Gebärmutterhalskrebs auslösen, oder auch dass sie ein Sexspielzeug seien. Oft wird auch gefragt, wie man sicher sein kann, die Tasse in die richtige Körperöffnung eingeführt zu haben. Generell wissen die Mädchen meist wenig über den Zyklus und den eigenen Körper. Deswegen sind der Dialog und der Bildungsaspekt mindestens genauso wichtig wie das Verteilen der Tassen.
Warum brauchen Frauen dort überhaupt Menstruationstassen?
Weil dadurch relativ leicht und kostengünstig schwerwiegende Probleme gelöst werden. Hört sich für uns komisch an, aber allein die Tatsache, dass Mädchen ihre Tage bekommen, kann sie krank machen oder in die Prostitution treiben. Denn Menstruationsprodukte sind im Vergleich zum Einkommen in Kenia extrem teuer. Durch selbstgemachte Binden aus Lehm, Matratzenfüllungen, Ziegenhaut oder Lumpen gelangen Bakterien in den Körper und die Mädchen und Frauen infizieren sich mit Krankheiten. Man hört auch häufiger, dass Mädchen für Binden mit Männern schlafen. Und nicht zuletzt gehen auch viele Mädchen früh von der Schule ab, weil sie während ihrer Periode nicht in die Schule gehen und wegen der vielen Fehlzeiten schlechte Noten bekommen.
Weißt Du, was mit den Tassen passiert, nachdem sie verteilt wurden?
Genutzt werden sie in der Regel auf jeden Fall. Man kann natürlich nicht den Weg jeder einzelnen Tasse verfolgen, aber es gibt Analysen, die belegen, dass die Tassen lange in Gebrauch sind. Ein Mädchen hat mir erzählt, dass ihre Tante ihr die Menstruationstasse weggenommen hat und sie jetzt selbst benutzt. Das zeigt, wie dringend die Menstruationstassen benötigt werden. Und dass die Spenden von Ruby Cup ihren Zweck erfüllen.
Wir wissen jetzt, was Du den Mädchen beibringen kannst. Was hast Du denn selbst in Kenia gelernt?
Ich habe hier einige Dinge gelernt, die mir überall auf der Welt nützen können. Ganz wichtig für die Arbeit hier ist zum Beispiel Flexibilität. Nairobi ist eine sehr dynamische Stadt und hat ein bisschen eine Wild West-Atmosphäre. In Deutschland hat man bei allem immer schon vorgefahrene Bahnen. Hier komme ich mir bei meiner Arbeit manchmal vor, als müsse ich mit der Machete einen Weg durch den Dschungel schlagen. Das ist manchmal schwierig, gleichzeitig eröffnet es auch ganz neue Möglichkeiten und ist sehr inspirierend. Schon allein bei Terminen gilt es, flexibel zu bleiben. Die Verkehrssituation in Nairobi und das instabile Stromnetz tragen ihren Teil dazu bei, dass eigentlich kaum jemand Termine einhalten kann. Meine Ungeduld habe ich mir hier weitgehend abgewöhnt. Das würde ich auch gerne beibehalten, wenn ich mal wieder nach Deutschland zurückkehre.
Viele junge Menschen haben den Wunsch, mit Ihrer Arbeit die Welt ein Stückchen besser zu machen. Was würdest Du diesen Menschen raten?
Wer die Welt verändern will, muss dafür neue Wege gehen. Die sind natürlich weder gepflastert noch gut ausgeschildert. Es braucht eben etwas mehr Kreativität. Also muss man gewillt sein, die eigene Komfortzone zu verlassen und darf keine Berührungsängste haben. Und man sollte bei allen Turbulenzen immer ruhig Blut bewahren. Ich würde mir jedoch wünschen, dass mehr Menschen sich trauen, zumindest für eine Zeit ungewöhnliche Wege zu gehen. Es erweitert unheimlich den eigenen Horizont, und gleichzeitig merkt man: Wir ziehen alle an einem Strang, wenn es um unseren Planeten und unsere Mitmenschen geht.